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Rosch Ha-Schana, das Neujahrsfest

Bei den Pilgerfesten geht es vor allem um das Schauen, bei den Festen Rosch Ha-Schana und Jom Kippur um das Hören. Tatsächlich war und ist noch immer viel zu sehen, zu fühlen, zu berühren bei jedem der Pilgerfeste Pessach, Schawuot und Sukkot. Nicht nur das Schauen: alle Sinne braucht man, um sie so aktiv wie möglich erleben zu können.

Rosch Ha-Schana und Jom Kippur sind Feste des Hörens. Das Hören erfordert große Konzentration, große Innerlichkeit. Tief im eigenen Innern den Ruf des Herrn zu hören, der zur Bekehrung einlädt. Im Buch Leviticus (23,24) heißt Rosch Ha-Schana noch nicht so. Das Fest findet am Ersten des siebenten Monats statt und heißt zik’ron teruah, « Gedenken der Akklamation ». Gedenken der Akklamation: was soll hier erinnert werden? Die Akklamation? Die Tradition hat aus diesem ersten Tag des siebenten Monats das Fest der Erschaffung der Welt gemacht. Es ist also die Erschaffung der Welt, die erinnert werden soll, oder genauer – wie es die liturgische Formel nahe legt, die jedem Tönen des Schofar folgt – die Reifungszeit der Welt. Niemand weiß, wann und wie die Welt erschaffen wurde. Wie für die Zeugung und die Reifung eines Kindes, die im Stillen erfolgt und dessen Werden sich unserm Wissen entzieht, so lädt uns Rosch Ha-Schana ein, vor dem Mysterium der Erschaffung der Welt in Stille zu verharren. Wir müssen erinnern, was nicht erinnert werden kann, lauschen auf das, was keinen Lärm macht. Erinnerung an die Akklamation. Was ist diese Akklamation? Die Akklamation wurde zum Blasen des Schofar. Und in dem Segen, der vor dem Blasen gesprochen wird, geht es nicht um das Blasen, sondern um das Zuhören. Einer bläst, alle hören zu. Und wem hören sie zu? Der Stimme Gottes, die jeden einzelnen dazu aufruft, auf sein eigenes Geheimnis zu achten, vor Gott seiner je eigenen Entwicklung nachzuspüren, endgültig zu Gott zurückzukehren und ihm zu ermöglichen, jeden von uns nach seinem eigenen Bild neu zu erschaffen auf Grund seines ewigen Plans: Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist (Ps 51, 12)

Sr. Anne Catherine Avril, NDS