Ostern – Pessach

Im ersten Monat, am vierzehnten Tag des Monats, zur Abenddämmerung,
ist Pascha zur Ehre des Herrn.

Am fünfzehnten Tag dieses Monats
ist das Fest der Ungesäuerten Brote zur Ehre des Herrn.
Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. (Lev 23, 5)

Das jüdische Pessach ist das erste der drei Wallfahrtsfeste, zu denen – zur Zeit des Tempels – das jüdische Volk nach Jerusalem hinaufging aus Dankbarkeit für die Begegnung mit seinem Gott (Deut 16,16-17; Ex 23, 14 -17)[1]

Dieses Fest hat einen doppelten Ursprung: einen in Bezug zur Natur, einen zur Heilsgeschichte.

Hag Ha Pesah (Pessachfest) ist ursprünglich ein Hirtenfest, ein Fest des Nomadenlebens. Hag Ha Matzot (Fest der ungesäuerten Brote) ist ein Fest mit landwirtschaftlichem Ursprung; es hängt mit der ersten Ernte des Jahres zusammen, der Ernte der Gerste. Der liturgische Name:  Zman Herutenu  (Zeit unserer Befreiung) bezieht diese beiden Feste auf die Heilsgeschichte.

Für das Pessachfest geschah die historische Aneignung durch das Volk von Israel durch den Blutritus:
Im Frühling pflegten die Nomaden das Blut eines kleinen Tieres auf die Pfosten oder Ständer der Zelte zu geben, um sich des Schutzes ihrer Herde durch ihre Götter zu versichern.

Nach dem Buch Exodus hielt das Blut auf den Türen der Hebräer den Todesengel fern (vgl. Ex 12, 13): Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch „vorübergehen“ (im Hebräischen: passachti) und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen.

Was das Ungesäuerte (das ungesäuerte Brot) betrifft, geschah die historische Aneignung mit dem Thema der Hast: Der grobe Fladen aus Gerste, gemischt mit Öl und Wasser, ohne Hefe, unter dem Namen Matze bekannt, wurde das Brot der Hebräer, weil es keine Zeit hatte, zu „gehen“ (vgl. Deut 16, 3): Du sollst nichts Gesäuertes dazu essen. Sieben Tage lang sollst du ungesäuertes Brot dazu essen, die Speise der Bedrängnis…Denn in Hast bist du aus Ägypten gezogen (vgl. Ex 12, 39).

Die beiden Feste, zunächst voneinander verschieden, wurden zu einem verschmolzen und wurden – zunächst das Fest des Ungesäuerten und dann das Pessachfest – zu Festen der Wallfahrt zum Tempel, wenn es einen Tempel gab.

Man findet Hinweise sowohl auf den Unterschied der beiden Feste als auch auf ihre Verschmelzung im neuen Testament. (Vgl. Lk 22, 1, 7-8)

Es ist wichtig, dass wir uns beider Aspekte bewusst sind: der Verbindung mit der Natur und mit der Geschichte: den ganzen Kosmos will Gott erlösen (vgl. Röm 8, 19-23).

Zur Zeit von Jesus wurde das Lamm im Tempel getötet; jede Familie, jede Gruppe von Schülern um ihren Meister, brachte es dann nach Hause. Nach den rituellen Segnungen wurde es mit Bitterkräutern und ungesäuertem Brot gegessen (vgl. Ex 12, 8). Es gab auch eine Segnung über einen oder mehrere Becher Weins.

Das Singen des Hallel (Ps 113 -118) begleitete dieses rituelle Mahl.

Nach der Zerstörung des Tempels wurde die Opferung des Lammes abgeschafft. Man entwickelte das liturgische „Seder“-Mahl, das allmählich in einer Sammlung namens „Haggada“ festgelegt wurde.

“Haggada” kommt von einem hebräischen Verb, das engagiertes Erzählen bedeutet. Das heißt, dass die Worte, die Gesänge, die verschiedenen Gebräuche, der Verzehr des Ungesäuerten und der Bitterkräuter, dass dies alles es jeder mitfeiernden Person ermöglicht, den Auszug aus Ägypten zu verinnerlichen, so dass jeder sagen kann: „Heute bin ich mit meinen Vätern aus Ägypten ausgezogen“.

Alles was Jesus beim letzten Mahl tat, hat seine Wurzeln in jedem jüdischen Festmahl.
Obwohl wir nicht wissen, ob das Letzte Abendmahl ein Pessachmahl war, ist die Beziehung zu Pessach deutlich genug.
Mit seinen Gesten, seinen Handlungen verwurzelt uns Jesus im jüdischen Pessach, er macht es zu seinem eigenen, ohne es abzuschaffen.

Wenn wir Brot und Wein in der Eucharistie empfangen, verinnerlichen wir ganz das Pessach von Jesus: angefangen vom Auszug aus Ägypten bis zur vollständigen Hingabe seiner selbst als Osterlamm, und wir tauchen mit ihm ein in diesen großen Übergang vom Tod zum Leben.

So entsteht unser Übergang „von Traurigkeit zur Freude, von Trauer zum Fest, von der Sklaverei zur Freiheit, von der Finsternis zum großen Licht“, und wir gelangen „vom Tod zum Leben[2]

Dem entsteigt das Halleluja[3] des ersten Hallel-Psalms ( Ps. 113): „Halleluja, lobet ihr Knechte des Herrn, lobet den Namen des Herrn!“, und in der jüdischen Deutung des Psalmes: Wir waren Sklaven des Pharao, jetzt sind wir Diener des Herrn.[4]

In unserm christlichen Glauben wagen wir zu sagen:
Wir waren Sklaven der Sünde, heute hat Jesus uns befreit, wir waren unter der Macht des Todes, heute werden wir mit ihm auferweckt.

Sr. Anne – Cathrine Avril NDS

10. April 2012

[1] Auch wenn das jüdische Volk natürlich seit dem Verschwinden des Tempels nicht mehr zum Tempel hinaufgeht, so feiert es nach wie vor die Feste nach den biblischen Vorschriften, die nach dem Jahr 70 allmählich an die neue Situation ohne Tempel angepasst wurden, aber in lebendiger Erinnerung.

[2] Einführung zum „Hallel“ in der Pessach-Haggada

[3] „Halleluja“ bedeutet: Lobet den Herrn.

[4] Das hebräische Wort „eved“ bedeutet sowohl „Sklave“ wie „Diener“. Wenn man „eved“ eines Tyrannen ist, so ist man Sklave.  Ist man aber „eved“ des Herrn, so ist man freier Diener.