Fasten

Das Fasten

  • Im Judentum hat das Fasten nicht asketischen Charakter. Es lädt nicht zur Kontrolle über den Körper ein, als wäre das ein Wert an sich.
  • Der Mangel an Nahrung erzeugt eine Leere im Körper, die gefüllt werden möchte, und die symbolhaft für den Hunger nach einer anderen Nahrung steht: der Anwesenheit Gottes, von der uns die Sünde entfernt hat.
  • So konnte David, als er in der Wüste Juda war und physischen Durst verspürte, ausrufen: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir“  (Ps. 63, 1).
  • Und weiter, wie es in der Erfahrung der Wüste geschah (Deut 8): Hunger und Durst lassen uns unsere Abhängigkeit fühlen und bringen uns in Erinnerung, dass wir alles letztlich von Gott erhalten und ihm dafür danken müssen.
  • In dem biblischen Text, der vom Jom Kippur-Fest spricht, das vom Fasten geprägt ist, heißt es nicht: „ihr sollt fasten“, sondern „ihr sollt euch Enthaltung auferlegen“ – (Lev 16, 29-32; Lev 23; 27, 29, 32), und das hebräische Wort bedeutet „ihr sollt euch arm, klein, niedrig vor Gott“ machen.
  • Im Judentum gehören Fasten, Beten und Almosengeben zusammen. Während der Feiertage Rosch ha-Schana und Jom Kippur gibt es im Hauptgebet dieser Feste einen Passus, wo es heißt „das Fasten (tsom), die Stimme (Qol), das Geld (Mammon) wehren der göttlichen Strafe“, das heißt: bringen Gott dazu, zu vergeben.
  • Unter diesen drei Worten stehen drei andere: „teshuva“ (Rückkehr des Herzens zu Gott), „Tefillah“ (Gebet) und „tsedaqa“ (Gerechtigkeit). Das bedeutet: den äußeren Haltungen des Fastens, der Stimme, die sich zu Gott erhebt (an Rosch ha-Schana ist es die Stimme des Schofar) und des Almosengeldes müssen die inneren Haltungen des Umkehrwunsches zu Gott, des wahren Gebetes (das Beziehung zu Gott ist) und der wahren Gerechtigkeit (d.h. der gerechten Haltung dem Nächsten gegenüber) entsprechen.
  • Ist das nicht der Schlüssel zum Verständnis von Matthäus Kap.6: „Wenn ihr fastet… wenn ihr betet… wenn ihr Almosen gebt“?
    Es geht nicht darum, sich in der hintersten Kammer zu verstecken, um zu fasten, zu beten, Almosen zu geben, sondern darum, es mit der tiefen Innerlichkeit zu tun, die diese Haltungen verlangen, und nicht, weil andere uns dabei zuschauen.
  • Wir haben hier eine weitere, sehr wichtige Grundlage der jüdischen Tradition: „kavvanat ha lev“, die Intention des Herzens, die wahr und rein sein muss, auf Gott hin gerichtet und nur auf ihn.

Sr. Anne-Catherine Avril NDS
Übersetzung: Dr. Helmut Paul